”Oldenburg ist nicht Venedig oder Cannes. Auch nicht Berlin. Und trotzdem gibt es in Filmerkreisen inzwischen eine ganze Menge Leute, die Oldenburg als „Geheimtipp“ handeln.” So begann Prof. Dr. Gerd Schwandner, Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg und Schirmherr des BFF Familie & Sport, sein Grußwort an das Festival und outete sich als Kenner der Amateurfilmszene. Und diese Szene traf sich in der Stadt der Wissenschaft nun schon zum zweiten Mal. Nach der fulminanten Premiere dieser Veranstaltung im letzten Jahr, galt es nun gesetzte Ansprüche und Erwartungen einzulösen. Dafür legten sich der Video Club Rastede ”Blaulicht 92” und der ASCO-Filmclub Oldenburg mächtig in die Riemen.
Festivalkäpt’n Gisela Baust hatte viel im Logbuch vermerkt und die Kommandos präzise verteilt. Es standen immerhin 23 Filme im Wettbewerb, die dem Auditorium in bester Qualität präsentiert werden sollten. Außerdem galt es auch, den Zeitplan des Festivals einzuhalten und Raum für individuelle Diskussionen zu berücksichtigen. Also eröffneten Hans-Jürgen Schekahn/VCR und Werner Garrelts/ASCO pünktlich am Freitag den ersten Teil dieser Filmfestspiele mit einem herzlichen und landesüblichen ”Moin Moin!”. Zusätzlich gab es für die angereisten ”Süßwassermatrosen” noch ein paar Informationen über die Stadt Oldenburg und ihre geographische Umgebung, die über die Jahrhunderte intensiv von der Nordsee geprägt und geformt wurde. Dann folgte die Vorstellung der Jury: mit Bernhard Lindner/Plochingen als Juryleiter und Anke Stoverok/Köln, Christine Wilkerling/Hanau, Wolfram Schmachtenberg/Köln, Rainer Drews/Stade und Jürgen Richarz/Ennepetal als Juroren.
Und dann ging es endlich los. Von Moderatorin Hildburg Wolf/VCR wurden die Einzelbeiträge kurz vorgestellt und an die anwesenden Autoren ein Pulvertürmchen überreicht. Was ein Pulvertürmchen ist? Ganz einfach: eine Oldenburger Spezialität aus Schokolade, neben der selbst die Salzburger Mozartkugeln alt aussehen. Manko: in einer Packung sind immer nur vier Stück enthalten.
Die 13 eingereichten Familienfilme wurden auf drei, die 10. Sportfilme auf zwei Projektionblöcke aufgeteilt. Nach jedem Block hatte die Jury ihren Auftritt, wobei für die Diskussion in der Regel circa 30. Minuten eingeplant waren. Der Juryeinstand am Freitag war sehr abwechslungsreich und die Filmbesprechungen standen in ihrem Informations- u. Unterhaltungswert hoch im Kurs der Zuschauer. Für die war es ebenfalls sehr hilfreich, dass Bernhard Lindner zum Auftakt der Diskussionsrunde die Kategorie Familienfilm in prägnanter Form nochmals definierte und in Erinnerung rief.
Später saßen wir dann in der Teestube des Oldenburger City-Club-Hotels bei Wasser, Wein und Jever zusammen und konnten über Gassi geh’n, Tannenbaumschmuck, Schietwetter in Vietnam, Schulaufsätze und nervige Schutzbefohlene fachsimpeln. Dieser abwechslungsreiche Auftakt am Freitag machte uns allen schon ‘mal viel Lust auf den Samstag.
Ausgeschlafen und in bester Stimmung fanden sich dann wieder alle Beteiligten im Vorführsaal des Hotels ein. Auf den Zuschauerbänken war es nun auch enger geworden, denn die Anzahl der Besucher hatte sich an diesem Tag deutlich erhöht. Deshalb nochmals eine herzliche Begrüßung incl. Vorstellung der Jury und die Moderatorin verteile weiterhin fleißig die Pulvertürmchen. Der Vorrat an dieser Köstlichkeit schrumpfte erheblich, denn weit mehr als die Hälfte der Filmautoren waren persönlich anwesend. Für den Ausrichter eines derartigen Filmfestivals ist es natürlich eine besondere Wertschätzung, wenn die nominierten Filmemacher dabei sind und ungeachtet größerer Distanzen, z.B. vom Bodensee, nach Oldenburg anreisen. Dieser Enthusiasmus ist bei uns Autorenfilmern noch sehr präsent, da ist man noch mit Leib und Seele dem Amateurfilm verbunden.
Diese Verbundenheit besaßen ganz offensichtlich auch die Juroren. Mit sehr viel Augenmaß wurden die Filme analysiert, Stärken und Schwächen aufgezeigt und deren Themen in sehr unterschiedlicher Betrachtungsweise interpretiert. Und gerade diese unterschiedlichen Sichtweisen sorgten für viel Gesprächsstoff bei den Diskussionen. Für die Zuschauer, die mit der Bild- u. Tonsprache nicht so sehr vertraut sind, ergab sich bei diesen Filmbesprechungen noch ein erheblicher Lerneffekt. Außerdem verstand es Bernhard Lindner in exzellenter Form seine Mannschaft zu führen und zu fordern. Dafür an dieser Stelle ein extra Applaus.
Den Verantwortlichen der Stadt Oldenburg liegen die Belange von uns Filmemachern des BDFAs wohl sehr am Herzen, denn stellvertretend für den Oberbürgermeister überbrachte Frau Eilers-Dörfler persönlich die Grüße des Schirmherrn, wünschte gute Unterhaltung und sprach die Hoffnung aus, dass solch ein Filmfestival doch fester Bestandteil im kulturellen Leben der Stadt Oldenburg und Umgebung sein sollte. Sie ließ ihren Worten auch gleich Taten folgen und nahm Platz im Auditorium.
Ebenfalls nicht ganz unbeteiligt am Gelingen dieser Veranstaltung waren die örtlichen Sponsoren, die sich großzügig zeigten und generell die finanzielle Basis für dieses Filmfest stellten. Danke! Wirtschaft, Fremdenverkehr und Kultur als Symbiose, da geht doch noch was, oder?
Am Samstag Nachmittag gingen dann die gemeldeten Sportfilme an den Start. Abwechslung bei diesem Genre war garantiert und selbst die Jury musste den Zeitplan überziehen, denn die Sportbeiträge verlangten einfach nach einer intensiven Diskussion.
Leider kann man in dieser Form nicht jeden Film Revue passieren lassen. Im Bereich Familienfilm sind die Beiträge von Eckhard Baschin/Heidenheim mit ”… immer Montags”, Christian Schäfer/Bamberg mit ”Wien ruft” und Lokalmatador Hans-Jürgen Schekahn/Rastede mit ”Schatten der Vergangenheit” besonders zu nennen. Für diese Filme gab es Silber und eine Weitermeldung zu den Deutschen Filmfestspielen 2013 in Jülich. Gold wurde in dieser Kategorie nicht vergeben.
Beim Sportfilm wurden Marcus Lauterbach/Jena für ”Bergline” und Barbara u. Hartmut Ibsch/Teck für ”AIPMYLO” Silber zuerkannt. Den Filmfreunden Ibsch wurde ebenfalls der Sonderpreis für ”Der besondere Film” verliehen. Und dieses unaussprechliche AIPMYLO war schon ein besonderer Film, denn mit viel Augenzwinkern und schwäb’schem Humor verstanden es die Autoren, den Sinn oder auch Unsinn dieser Großveranstaltung zu thematisieren.
Sport ist Bewegung, Ausdauer, Kraft, Erfolg: einmal auf dem Treppchen ganz oben stehen. Er ist aber auch Leidensfähigkeit, Verzweiflung und eigene Grenzen oder Niederlagen anerkennen und akzeptieren zu können, ähnlich wie beim Amateurfilm. Sport ist immer eine Herausforderung. Wer da noch den besonderen Kick benötigt, der kann es ja einmal mit einem Radmarathon in den Tiroler Alpen probieren. Für Christl und Erich Herold/Singen war es wirklich ”Eine neue Herausforderung”. Mit der Kamera begleiteten sie ihre Protagonistin über diese Wahnsinnstour und sorgten dafür, dass der Zuschauer irgendwie immer live dabei war. Selbst verspürte man am Ende einen gewissen Hauch von Muskelkater. Kameraführung, Dramaturgie, Ton, Schnitt und Realisierung überzeugten Publikum und Jury. Dafür gab es Gold, die Weitermeldung zur DAFF und den Sonderpreis ”Bester Schnitt” und sehr viel Applaus. Somit hat sich die weite Anreise vom Bodensee in die norddeutschen Gefilde echt gelohnt. Herzlichen Glückwunsch!
In der Sonderkategorie S-Film war nur ein Beitrag von Christian Buchnauer/kein BDFA-Mitglied mit ”ELEMENTAR” gemeldet. Dafür vergab die Jury Silber.
Insgesamt wurden 1x Gold, 6x Silber und 7x Bronze vergeben. Allen Preisträgern Hochachtung und herzlichen Glückwunsch zum Erfolg.
Fazit: Wie schon im letzten Jahr, habe ich dieses Filmfestival als sehr ausgewogen und familiär-kompetent empfunden. Ähnliche Gründe mag BDFA-Vorsitzender Klaus-Werner Voß gehabt haben, denn seine Anwesenheit in Oldenburg wurde mit sehr viel Freude und Anerkennung von den Veranstaltern VCR/ASCO aufgenommen. Nun bleibt für die Zukunft nur zu hoffen, dass sich der Erfolg aus Oldenburg nicht nur bis zum Bodensee, sondern auch in den umliegenden Hansestädten herum spricht.
Im nächsten Jahr sehen wir uns in Oldenburg wieder!
Wilfried Waack