Landesfilmfestival Thüringen
im Zeichen des Sonderthemas „Leben in der Einen Welt“
Die Goldene FILMthuer für künstliche Intelligenz
TEXT und FOTOS: HANS-WERNER KREIDNER
Das 12. Landesfilmfestival FILMthuer hat am 29. Oktober 2016 im Volksbad Jena die Gewinner der Haupt- und Sonderpreise gekürt. Beim Finale blieb es spannend bis zum Schluss. In jeder Kategorie wurden zunächst drei Nominierte angespielt, bevor der Sieger durch eine Laudatio verkündet wurde.
Pablo Mattarocci aus Jena konnte es kaum glauben, dass er die Goldene FILMthuer bekommt. Sein Film „Über die Notwendigkeit des Beissens“ zitiert klassische Vorbilder des Stummfilms, durchbricht die Zuschreibung von Gut und Böse aber und lässt den Zuschauer unter die Haut gehende Momente von Häme, Erniedrigung, Liebe und Hingabe erleben – in nahezu vollkommener Bild-Ästhetik. Beim Studentenfilm gewann Carsten Lerch, Bauhaus-Uni Weimar mit seiner Animadok „Wider Das Vergessen“, eine sehr persönliche Annäherung an die dunkle Vergangenheit des KZ Buchenwald. Die Gold-Trophäe für den besten Jugendfilm gewannen Simon Schneider (20) & Vincent Schober aus Weimar für den Spielfilm „True“, in dem der Protagonist einen innovativen Algorithmus über die Echtheit von Gefühlen entwickelt. Der Film überzeugt durch die Stringenz der Geschichte, zeigt eindringlich, wie eine gesteuerte Welt nicht nur virtuell existiert, sondern direkt in unser Leben eingreifen und schwere Krisen auslösen kann. Eine überzeugende professionelle Produktion über künstliche Intelligenz.

SCHÜLERFILM-OSKAR
Im Bereich Medienpädagogik gewann das Friedrich-Schiller-Gymnasium Weimar den Schülerfilm-Oskar mit einer bemerkenswert reifen Leistung. Die jungen Filmemacher projizierten in „Der Kongress“ gesellschaftliche Auswüchse auf die eigene schulische Lebenswelt, setzten Konflikte um Machtspiele und Manipulation dramaturgisch verdichtet um.
Ausgezeichnet mit dem Jugendförderpreis im Wert von 100 Euro wurden Paula Preller & Janine Mokbel, Gymnasium Bergschule Apolda. In „Auschwitz – von Massenmördern und Touristenmassen“ geben sie sich nicht zufrieden mit äußerem Anschein. Gewürdigt wurde ihr Mut, Dingen auf den Grund zu gehen und dafür auch unbequeme Fragen zu stellen.

FLUCHTGESCHICHTEN IM FOKUS
Im Fokus des aktuellen Sonderthemas „Leben in der Einen Welt“ drehte es sich um Flucht und globale Umbrüche in einer Welt im Wandel. Mit der gesellschaftlichen Dimension der Globalisierung hatte sich nahezu ein Viertel aller Autorenfilmer im Wettbewerb auseinandergesetzt. Der von Jenas Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter ausgelobte Preis in Höhe von 250 Euro wurde geteilt. Er ging an ein Team der Bauhaus-Uni Weimar für “Imbiss” über das alltägliche Chaos durch Krieg und Vertreibung, wenn Menschen provisorisch Strom und Lebensmittel „tanken“, sowie an ein Projektteam des Mitmenschen e.V. Erfurt für “School for you”. Der Clip vermittelt Basis-Regeln des Schulalltags in selbstbewusstem Deutsch – nicht ganz fehlerfrei, doch verständlich und macht das Verständnis sprachunabhängig durch Bildersprache.
Die BDFA-Medaille „Bester Film“ geht an Mina Koutsoukou-Argyraki, FILMthuer e.V., für „Traum 27“, eine verwirrende Suche nach echtem Leben zwischen Träumen und Albträumen. Die Publikumslieblinge waren diesmal fast ausnahmslos identisch mit den Hauptpreisträgern. Den Studentenfilm Publikumspreis gewann „Simply the Worst“. In dieser einzigartigen Ostkomödie spielen die Autoren Johannes Kürschner & Franz Müller vom Fernweh gepackte sächsische Zweitaktfreunde, die Prüfungen epischen Ausmaßes bestehen müssen. Sonderpreise gingen u.a. an Wilfried Matz vom FILMthuer e.V. für seine Naturfilme „Tschilpert“ und „Die Rückkehr des Bibers“ und die AG Film der Pfortener Schule Gera unter Leitung von Stefan Gabel vom Filmclub Gera-Pforten. “Die Flötenschule“ gewann den Medienpädagogischen Preis. Der Landesfilmdienst Thüringen als Zentrum für Medienkompetenz organisiert für die jungen Filmemacher der 3./4 Klassen einen Tag beim KiKA Erfurt. In der Laudatio hieß es: In dem anrührenden, motivierenden Film agieren die Kinder natürlich und präsentieren ihr Thema Musik so, dass es Spaß macht zuzusehen.

Alle Autoren wurden nach jedem Filmblock im Gespräch vorgestellt und zu ihren Werken kurz befragt. Der Abschluss des Landesfilmfestivals war festlich umrahmt vom audiovisuellen Live-Kino „Acid Stream“ sowie Darbietungen des Artistik-Studios Toledos aus Jena. Zu Gast waren Ben Scharf, Dozent Videofilmen an der TU Berlin, der die Ausbildung für nachberufliche Aktivitäten vorstellte, und Thomas Miles vom KiKA Erfurt, der über das multimediale Projekt „Zusammen zu Hause in Deutschland“ informierte.
WETTBEWERB IM NEUEN MODUS
Neu am Landesfilmfestival ist ein veränderter Modus. Aus dem bisherigen straffen kompakten Wochenende über zwei Tage, das alle Kategorien vereinte, wurden drei Einzelwettbewerbe an mehreren Orten sowie das große Finale mit Preisverleihung.
Zunächst drehte sich am 8. Oktober im Jugendzentrum polaris in Jena alles um den Jugendfilm. Viele der Schülerfilme entstanden als medienpädagogisches Projekt bei Workshops, Filmcamps und in schulischen AGs. In der Jugendjury steuerten drei Jugendliche mit ersten filmischen Erfahrungen ihre Sichtweise engagiert bei. Am 15. Oktober flimmerte der Amateurfilm über die Leinwand des Kinos am Markt in Jena, und abends im Kulturcafé „Franz Mehlhose“ in Erfurt der Studentenfilm. In der Jury agierten neben den BDFA-Erfahrenen Eva Schulmeyer, die übrigens das zehnte Mal dabei war, und Dr. Frank Dietrich sehr engagiert die Filmemacher Arvid Neid und David Cebulla (FILMthuer e.V.) sowie Filmkritiker Lutz Granert und Filmblogger Luca Schepers.
Im Wettbewerb waren 55 Filme vertreten: 14 Amateurfilme, 7Jugendfilme, 16 Schülerprojekte und 18 Studentenfilme, ausgewählt aus mehr als 100. Erstmals konnten Filme elektronisch eingereicht werden. Wer sich auf der online-Plattform reelport nicht anmelden wollte, schickte seinen Film digital über Webtransfer. Der DVD-Versand wird zunehmend ein Auslaufmodell. Das zentrale Verwalten bringt wesentliche Vorteile, insbesondere für das Sichten der Filme.
TÜRÖFFNER FÜR DEN NACHWUCHS
Nach den Jurygesprächen votierten die Juroren in jeder Kategorie 2mal für einen 1. Preis. Für den Amateurfilm gab es weiterhin 4mal einen 2. Preis und drei Dritte Preise, im Jugendbereich fünf Zweite und elf Dritte Preise. Zum Finale wurden in einem 10-stündigen abwechslungsreichen Programm die besten Filme aus allen Kategorien präsentiert und ausgezeichnet. Anwesende erhielten Sachpreise, die von mehreren Firmen gestiftet wurden, u.a. von Highland Musikarchiv sowie dem Verlag Schiele & Schön.
19 Filme von außerordentlich hoher Qualität sind nominiert für Bundesfilmfestivals. Von einem Dutzend am Wettbewerb beteiligten BDFA-Filmern können fünf auf Weitermeldung hoffen, auch einige Jungfilmer und potenzielle Neumitglieder.
FILMthuer als Plattform für den Thüringer Kurzfilm versteht sich als Türöffner für den kreativen Nachwuchs. Die aufwändige Organisation des Landesfilmfestivals wird von einem kleinen Team des FILMthuer e.V. gestemmt, das Wettbewerb und Festival seit 2011 organisiert. Für ihren engagierten Einsatz ist allen aktiven Mitgliedern gedankt worden.